Bilderkosmos

Die virtuelle Welt des world wide web stellt sich für Johann Büsen als unerschöpfliche Quelle an immer neuem Bildmaterial dar. Auf seinem Computer speichert er unablässig Motive in einem mit Schlagworten versehenen großangelegten Archiv. So ist im Laufe von Jahren ein moderner Bildatlas à la Aby Warburg entstanden, aus dem der Künstler reichlich schöpft, um auf seinen kleinen und großen Bildträgern ein Universum ungeahnten Ausmaßes entstehen zu lassen. Scheinbar ungesteuert prallen hier Bilder in einer unüberschaubaren Vielfalt in expressiver Farbgebung, künstlicher Perfektion und reicher Themenauswahl aufeinander. Auch wenn Büsens Werk der Gattung der Malerei zugeordnet werden kann, hat er doch niemals einen Pinsel in der Hand gehabt. Die Bilder entstehen ausschließlich am Computer und werden per Digitaldruck auf Leinwand gebannt. Die synthetischen Oberflächen entbehren jeglichen Künstlerduktus und mögen so gar nicht an einen leidenschaftlichen Maler im klassischen Sinne gemahnen. Einem Urknall gleich wirbeln die einzelnen Bildfragmente durch die Luft und finden nur mühsam zu einer Ordnung, doch Büsen gelingt es, auf rätselhafte Weise eine
Balance herzustellen, die der Arbeit eines guten DJs gleicht, der aus unendlichem Musik-Material heraus sampelt und mixt, ohne dabei aus dem »flow« zu geraten. Büsens Bilderkosmos setzt sich aus Comics, Zeitungs- und Fernsehbildern, Filmstills, wissenschaftlichen Abbildungen, Plattencovern, Kunstzitaten und anderen nur vorstellbaren Herkünften zusammen. Ebenso unerschöpflich scheint seine Thematik zu sein: Hass und Gewalt, Körperkult und Animalisches, Geld, Drogen, Sex und Mode, Spieltrieb und Unschuld und, und, und ...
Doch am Ende kreist in diesen auf Leinwand gebrachten Bilderclips doch alles um die Frage der Sehnsucht des Einzelnen nach Individualität, Geborgenheit und dem richtigen Platz im Leben. In der Wirklichkeit und nicht nur in einer virtuellen Welt.

Susanne Hinrichs
Kuratorin, 2010