Fiktionale Welten

Schier unerschöpflich scheinen die universalen Bildwelten von Johann Büsen zu sein: Opulent, wie in einem Rausch, lustvoll, anarchisch, ausufernd und unübersichtlich – unbefangen? Es ist dem Betrachter kaum möglich, Orientierungspunkte in diesen apokalyptischen Welten zu finden, in denen die ganz großen Themen der Welt wie Macht, Krieg und Gewalt, Geld, Drogen, Sex und Starkult neben viele weitere grundlegend existentielle Themen gestellt werden. Themen, in denen sich gesellschaftliche und politische Krisen spiegeln und die uns in psychische Grenzzustände versetzen würden, wenn wir mit ihnen in der Realität konfrontiert würden. Johann Büsen scheut sich nicht, sie über uns hereinbrechen zu lassen, scheinbar völlig ungefiltert, aber gleichzeitig so fein durchkomponiert, dass der Schrecken dieser Bilder fast in einer gewissen Kühle und Distanz erstarrt, die durch die poppige Farbigkeit noch verstärkt wird.

Wie Malerei wirken die Bilder von Johann Büsen aus der Entfernung: Flächen und Ausschnitte, Kontraste, Pixel, Zacken, Punk und Pop – Comic-Figuren und Gegenstände werden in der Bildkomposition
nebeneinander, übereinander und miteinander verschränkt: Wie in einem Wirbelsturm, sprühen die einzelnen Bildfragmente durch die Luft und dabei scheint Johann Büsen nichts heilig zu sein, sogar das Verbrechen wird in einer Form chaotischer Ordnung in erfrischende, expressive Farbigkeit gefasst: Lila zu Rosa mit Beige, Lindgrün mit Hellgelb und Beigebraun, ein kräftiges Dunkelrot noch mit dabei, Rost mit Dunkelgrün und Ockergelb –– auf Leinwände die meist so um 1 Meter mal 70 cm, aber auch größer sind.

Schauen wir genauer hin:
Das Bildmaterial für seine perfekt komponierten Universen generiert Johann Büsen aus dem unerschöpflichen Fundus des Internet: Hier findet er alles, was er braucht – Fotografien, Filmstills, Zeitungsbilder, Zitate, Comics, wissenschaftliche Abbildungen und vieles mehr. Sein Speicher umfasst unzählige Motive, die er unter Schlagworten abgespeichert hat, um diese jederzeit abrufen zu können und sie mit eigenen Skizzen, Farbflächen und weiteren Modulen kombiniert zu fiktionalen Welten des Films, des Traums, der Literatur und des eigenen Wahnsinns in einer Gleichzeitigkeit und einem Nebeneinander zusammen zu fügen. Keine Perspektive, kein Hintereinander, keine Wertigkeit,
alles Pur, alles zur gleichen Zeit und ohne wirklich erkennbare Hierarchie – aber dennoch narrativ – immer gerade heraus.

Johann Büsen gestaltet seine doku-fiktionalen Universen ausschließlich am Computer. Anschließend werden die fertigen Daten als Digitaldruck auf Leinwand ausgeplottet. Also kein Siebdruck oder Fotocollage wie man zunächst annehmen könnte – nicht die Technik, die in den 1970er noch von den Pop-Artisten verwendet wurde, um Bildwelten übereinander zu montieren. Nein, und auch keine Spur von gestischem Farbauftrag mit dem Pinsel etwa auf Leinwand, sondern reine Synthetik – auf Knopfdruck entstanden und jederzeit wiederholbar. Die Oberflächen sind glatt und wirken von nah betrachtet absolut künstlich. Damit werden unsere Vorstellungen vom Original und vom Kunstwerk als Einzelstück von Johann Büsen ganz bewusst thematisiert und dabei gleichzeitig komplett verabschiedet.

Die gleichsam faszinierenden, wie auch beunruhigenden Welten von Johann Büsen, ihre Fülle, die nicht nur fröhlich-sprühend aus dem Vollen schöpft, sondern gerade dadurch bedrängend und unübersichtlich wirkt, verweisen auf die Repräsentation der Welt in der Medienwelt.
Krise, Politik, Sex, Musik, Geld, Hass und Gewalt nehmen wir vermittelt durch eine Flut von Bildern wahr, die uns in Zeitschriften, Tageszeitungen, in der Werbung, in Büchern, im Fernsehen und im Internet entgegen schlägt. Auswählen von Bildern, Deuten der Bilder und eigenes Handeln daraus entwickeln - in einer Welt, in der Schrecken zur puren Oberfläche wird und alle Informationen scheinbar gleichrangig nebeneinander stehen, müssen wir jedoch selbst.

Unseren eigenen Standpunkt finden, die diffuse Unruhe um uns verarbeiten – das ist Aufgabe jedes Einzelnen. Genau diese Suche, das Ausbalancieren, das Überwinden der Ohnmacht, die Verarbeitung von Sichtweisen – das ist Thema der Arbeiten von Johann Büsen.

Veronika Olbrich
Städtische Galerie Nordhorn, 2010