Stretch a condom before use

Hunderttausende von Bildern, Fotografien, Schriften, Farben und Ornamenten hat Johann Büsen auf mehreren Festplatten gespeichert. Skizzen, Kritzeleien und Zeichnungen gehören ebenso dazu wie Pinselspuren aus Zeiten, als Büsen noch mit Farbe und Pinsel arbeitete. Seine Werke, die er als Digital-Kunst bezeichnet, entstehen rein am Computer. Ruhige Flächen treffen auf Ansammlungen kleinteiliger Motive.

Wie müssen wir uns nun seine Arbeit konkret vorstellen? Zumeist hat er, so Büsen, eine Idee, ein Thema im Kopf, womit er sich beschäftigen möchte. Dann beginnt er, Motive aus dem Archiv zusammenzustellen, die passen könnten. Zunächst einmal kommt, so formuliert der Künstler es selbst, alles rein, viel mehr als am Ende tatsächlich Verwendung findet. Er schafft eine Arbeitsfläche, dann erst wird sortiert, entschieden, was bleibt und wie die Komposition konkret aussehen soll. Johann Büsen dreht die Motive, nimmt sie auseinander und überlagert sie. Die einzelnen Elemente werden zu Flächen, Formen und Farbfeldern kombiniert. Ist Büsen mit dem Ergebnis auf dem Bildschirm zufrieden, folgt der Ausdruck.

Welche Themen interessieren den Künstler?
Johann Büsen setzt sich in seinen Werken mit Themen aus den Bereichen Politik, neue Medien, Technik, Mensch, Tier und Film auseinander. Cineasten können das eine oder andere Filmzitat entdecken – so zum Beispiel die Protagonisten aus Quentin Tarantinos erstem Film Reservoir Dogs – Wilde Hunde, in dem es um einen missglückten Raubüberfall geht.
Die Frage, was ihn heute mit der Erde verbindet, stand am Anfang des Gemäldes mit dem Titel Six feet under. Büsen begann aus seinem digitalen Archiv Motive zu sammeln, er wählte aus, fügte zusammen...
Am Ende erzählt er eine kleine Geschichte, keine vollständige – Ausschnitte, Spots sind es, die zum Weiterdenken anregen. Ein Friedhof ist zu erkennen. Vielleicht will uns der Künstler damit sagen, dass wir selbst am Ende wieder zu Erde werden. Wir lesen SIXFEETUNDER – eine englische Redewendung, die sich wohl mit Sich die Radieschen von unten angucken gleichsetzen lässt. Damit ist der Bezug zum Friedhof wieder hergestellt.
Six feet under lautet jedoch nicht nur der Titel dieses Bildes, sondern auch der einer amerikanischen Fernsehserie, die von 2001 bis 2005 ausgestrahlt wurde und die aufgrund ihres rabenschwarzen Humors Kultstatus erreichte.
Ansonsten bewegen sich riesige Ameisen mit Nahrung in den Mäulern über die Bildfläche: Fressen und Gefressen werden. Winzig klein wirkt eine Gruppe von sechs schwarz gekleideten Männer, womit Büsen erneut auf den Titel des Bildes anspielt. Auf einen mutierten Menschen fällt ein eigenartiger Regen. Von links hageln Bucheckern auf ihn ein. Das zunächst noch fröhlich anmutende Motiv der tanzenden Kinder verkehrt sich schnell ins Gegenteil, denn beim genauen Hinsehen wird deutlich, dass sie Gasmasken tragen. Die Natur ist verschwunden. Die Erde scheint unter der Erde begraben. Büsen zeigt Chaos, beschwört ein Untergangsszenario. Aus den Strukturen und Farbflächen kristallisiert sich dann noch die Erde als Karte inmitten der apokalyptischen Vision.

Johann Büsen kombiniert mit Vorliebe Bilder und skriptorale Elemente. Mit Schrift transportiert er Inhalte, die in eine Richtung denken lassen. Guilty (schuldig) heißt es in einem weiteren Werk. Darüber ein fettes bloody. Blutig, blutend, blutrünstig oder aber verdammt, verflucht – verschiedene Assoziationen tun sich auf. Auf dem Bildschirm des PC´ erscheint, auf schwarz-weiße Flächen reduziert, das Porträt einer jungen Frau. Es ist Amélie, die uns mit ihrer fabelhaften
Welt in dem gleichnamigen französischen Film verzauberte. Sie ist die Inkarnation der Unschuld und bildet damit den Gegensatz zu guilty. Dann ein Polizist des Sondereinsatzkommandos, dahinter ein Selbstmörder. Alles scheint verkabelt. Im rechten unteren Teil des Bildes wird einem Kopf etwas übergezogen. Facelift heißt es links davon. Und über dem Kopf werden wir über den Gebrauch eines Kondoms informiert: ... not unroll or strech a condom before use. Johann Büsen bedient sich einer sehr plakativen Bildsprache. Er provoziert durch die Wahl seiner Motive und Schriftelemente und vor allem dadurch, wie er sie miteinander verknüpft.

Seine Ästhetik erinnert an jene der Pop-Art. Banale Objekte des Massenkonsums wurden durch Isolierung, Ausschnitt, Vergrößerung, Reihung oder durch Imitationen verfremdet und parodiert. Die Motive waren der Alltagskultur, der Welt des Konsums, der industriellen Massenmedien, der Comics und der Werbung entnommen.

Bevor sich Büsen entschloss, seine Werke rein am PC zu gestalten, kamen bei ihm Schablonen zum Einsatz, die auf fotografische Vorlagen zurückgingen. Solche Schablonen verwandte er auch bei seinen Graffitis. Auf die Leinwand wurden
diese Schablonen mit Rollen und Acrylfarbe bzw. mit der Sprühdose übertragen. Da für die Herstellung der Schablonen ohnehin der Computer Verwendung fand, war der Schritt, das Werk selbst am PC entstehen zu lassen, naheliegend.

Der englische Maler und Grafiker Richard Hamilton prägte schon 1956 den Begriff Instant Art für die Pop-Art. Er wollte damit auf seine Quellen in der technisch produzierten und reproduzierten Bildwelt der Medien hinweisen - auf jene Quellen also, aus denen auch Johann Büsen seine Motive schöpft.

Während Büsen in neueren Arbeiten zunehmend zu leuchtenden Farben greift, wie sie in der Pop-Art üblich waren, bediente er sich anfangs der gebrochenen Töne. Farbe versus Struktur.
Johann Büsen experimentiert mit der Bildwelt der Pop-Art und erschafft dabei seine eigene. Eine Flut von Motiven wartet darauf entdeckt zu werden.

Bärbel Schönbohm
Kunstwissenschaftlerin, 2008