Jäger, Sammler und DJ

Der Künstler, Jäger und Sammler Johann Büsen, geboren 1984 in Paderborn, absolvierte von 2005 bis 2010 sein Studium an der Hochschule für Künste in Bremen, sein Diplom machte er in der Klasse von Prof. Bialobrzeski. Er ist Gründungsmitglied der 2007 formierten Künstlergruppe TetraPack. Er wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2010 mit dem Paula-Modersohn-Becker Nachwuchs-Kunstpreis der Kunsthalle Worpswede. Er war in zahlreichen Gruppen- und Einzelschauen vertreten, unter anderem im Weltkulturerbe Zollverein in Essen, auf der Art Karlsruhe und im Museum Kunstpalast in Düsseldorf.

Seine Kunst ist ein bisschen wie Treibsand, der erste Kontakt genügt bereits, um immer tiefer darin zu versinken. Das hat mit unseren Sehgewohnheiten zu tun, mit denen Johann Büsen Karussell fährt. Er bedient sich bei der Erschaffung seiner Bildwelten der Formensprache aktueller Massenmedien: des Siebdrucks, der Illustration, des Internets, der Collage, des Comics. Kurz: All dessen, was uns jeden Tag umgibt und bringt es in neue Kontexte.

Wieso ist Johann Büsen ein Jäger und Sammler? Was wir hier sehen, ist
digitale Malerei. Das bedeutet, dass diese Malerei am Rechner entsteht. Es gibt das Bild lange, bevor Leinwand und Farbe ins Spiel kommen. In der Kunstwelt taucht dabei der Begriff der „digitalen Malerei“ nicht auf, es wird stattdessen die Technik des Ausgabemediums genannt, zum Beispiel Digitaldruck, Pigment Print oder C-Print.

Woher aber stammen die Motive? Johann Büsen ist der Wächter eines enormen digitalen Schatzes: In seinem Archiv sammelt er Figuren, Dinge und Muster, die er bei seinen Streifzügen durch die unendlichen Weiten des Internets jagt. Johann findet dabei – sagen wir mal eine besondere Nacktschnecke. Diese wandert dann in sein Archiv, aus dem er – weil er das oft und nicht nur mit Nacktschnecken tut – einescheinbar unendliche Vielfalt an Motiven zaubern kann.

Wenn dann schließlich am Rechner seine Bilder entstehen, arbeitet Johann Büsen wie ein DJ. Während ein DJ allerdings mit Audio-Samples, also kurzen Versatzstücken aus existierenden Liedern neue Songs kreiert, baut Büsen seine Bilder aus bestehenden visuellen Samples auf. Ich stelle ihn mir dann gerne bei der Arbeit vor, mit einem Farbkasten, in dem nicht nur Türkis und Pink, Ocker und Schwarz, sondern auch Mini-Hunde, kriechende
Regenbogen, und klitzekleine Astronauten zu finden sind. Ebene um Ebene komponiert Johann Büsen seine digitalen Malereien, die er auch am Rechner koloriert. Vorrangig ist bei der digitalen Malerei allerdings nicht die Imitation traditioneller Maltechniken wie Aquarell oder Ölmalerei. Es geht nicht um das „Als ob“. Im Gegenteil: Johann Büsen unterläuft die Möglichkeit der perfekten Imitation zur Herstellung eines „perfekten“ Ergebnisses, wenn er Makel der traditionellen Malerei karikiert und zum Beispiel Farbnasen seine Leinwand herunterlaufen lässt. Nein, es geht um die speziellen Möglichkeiten der Grafiksoftware, wie zum Beispiel das freie Arrangieren und Komponieren der Details oder das parallele Arbeiten auf mehreren unabhängigen Ebenen. Er kann so lange alles verändern, bis die gefundene Komposition für ihn stimmig ist. Das vollendete Bild geht in Druck - Und es ist ein Unikat. Johann Büsen lässt jedes Bild nur ein einziges Mal produzieren.

Aber genug der Theorie. Zeit für Action! Zeit für brennende Autos, fliegende Pflastersteine, Personen in Schutzanzügen und militärischer Kleidung - Beim Stöbern in seinem Archiv entscheidet sich Johann Büsen oft für Zeichen von Macht, Dominanz, Zerstörung. Dennoch gelingen ihm – und das ist
spannend – mit dem Zauber seines digitalen Farbkastens magische Bildwelten voller Poesie. Wenn goldene Säulen erhaben in einen alles verschlingenden Sturmhimmel aufragen. Wenn ein unvermittelt auftauchender leuchtender Wal zwei Rudernde grüßt. Nicht zu leugnen – warum auch – ist dabei Johann Büsens Nähe zur Street Art, ist er doch auch als Street Art-Künstler tätig. Einige seiner digitalen Collagen weisen dabei eine ähnlich urban-morbide Ästhetik auf, wie dutzendfach beklebte Plakatwände. Und zwar jene, bei denen mit ebenso liebevoller wie ausdauernder Hartnäckigkeit Schicht um Schicht, Fetzen um Fetzen abgezogen wurde und sich aus den freigelegten Plakatresten neue Bilder mit rätselhaftem Sinnzusammenhang ergeben.

Was seine Bilder erzählen, hängt letztendlich davon ab, welche Assoziation der Betrachtende hat. Die jeweiligen Hauptmotive sind assoziativ so stark befrachtet, dass sie der Phantasie als Startrampe ineine verwunderte, eine leise oder eine wildeSuche nach weiteren Fragmenten einer Geschichte dienen. Nach und nach docken die visuellen Fundstücke an, eine Geschichte entsteht. In diesem Sinne lassen sich seine Bilder als Comic lesen. Als Comic ohne Grid, also ohne die Kästchen, die einen
herkömmlichen Comic rastern und Ordnung in die Abfolge der Ereignisse bringen. Johann Büsenverdichtet den Plot in einem einzigen Bild. Es gibt keine klar definierte Leserichtung, auch wenn immer wieder Textfragmente, Linien oder Pfeile den Blick lenken. Johanns Büsens Bilder balancieren auf der Grenze zwischen Chaos und Ordnung. Entsteht gerade Ordnung? Oder versinkt gerade alles im Chaos? Ein kompositorischer Balance-Akt.Das macht einen beträchtlichen Teil ihrer Spannung aus, mit der sie den Betrachter halten. Bei aller Vielschichtigkeit sind die Kompositionen alles andere als beliebig. Johann Büsens surreale Erzählwelten sind wie Schatzkarten, auf denen sich so vieles entdecken lässt. Einige der Schätze haben wir bereits gemeinsam ausgegraben, viele liegen noch im Verborgenen und möchten jetzt von Ihnen entdeckt werden. Dabei wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.

Rieke Buning
Schloss Agathenburg, 2013