Seit Jahrhunderten nutzen Künstler die Erfindungen und Techniken ihrer Zeit für die Erstellung ihrer Bildwelten. In der Welt des 21. Jahrhunderts, in der ein Leben und Arbeiten ohne den Computer gleichsam undenkbar ist, erscheint die Verbindung von Kunst und Computer ebenfalls keineswegs fremd. Im Gegenteil! Seit den Anfängen in der Mitte des letzten Jahrhunderts wächst die Zahl der mit dem Computer arbeitenden Künstler, aber auch der Möglichkeiten, Kunst auf digitale Weise zu erschaffen. Seit Jahren ist daher die Digitale Kunst sowohl auf dem Kunstmarkt als auch bei Kunstsammlern en vogue und nicht mehr wegzudenken.

Auch für Johann Büsen, der in diesem digitalen Zeitalter aufwuchs, sind nicht mehr Farbe und Pinsel das zentrale künstlerische Zubehör, sondern Computer, Maus, Grafiktablett und Scanner, weshalb man hier von computergenerierter Kunst spricht. Er vereint darin Elemente aus Comic, Pop Art und Street Art mit unzähligen bearbeiteten Fotografien und Abbildungen zu einem Konglomerat aus dynamischen Strukturen und kontrolliert- konsequentem Chaos, welche geradezu in faszinierenden malerischen Grenzerfahrungen münden. Auf den ersten Blick ist es für den erstaunten Betrachter wohl kaum
möglich, sämtliche, oft auf mehreren Bildebenen liegenden klein- und großformatigen Szenen und Details zu erfassen. Denn es erscheint zunächst nahezu undenkbar, die unzähligen figurativen, narrativen, vegetativen und symbolischen Elemente in den Kompositionen ausnahmslos zu entschlüsseln. Der Titel der Ausstellung „Twisted Signs“ ist diesbezüglich opportun gewählt und spiegelt die im Bild festgehaltene Verwirrung wider. Man sollte auf jeden Fall versuchen, sich neutral auf die oft großformatigen Bildwerke von Johann Büsen einzulassen, ja in sie einzutauchen, um diese genialen, aber auch sehr komplexen Bildideen zu verstehen und zu hinterfragen. Die Addition der unterschiedlichen Bausteine, ähnlich eines Puzzles, bei dem man die einzelnen Teile zusammensetzt, um ein vollständiges Bild zu erhalten, wäre eine mögliche Art an die Arbeiten heranzugehen. Ein anderer Ansatzpunkt, das Gezeigte zu erfassen und zu verarbeiten, ist vergleichbar mit dem sogenannten „Querlesen“ von Texten, bei dem wir nur das für uns Wichtigste aufnehmen. Diese „Technik“ lässt sich auch bei den Werken von Johann Büsen anwenden, indem wir Bilddetails selektieren und die Intention der Kompositionen überblicksartig erfassen. Johann Büsen besitzt hunderttausende Bilddateien – sowohl eigene Fotografien, als auch gescannte oder jegliche Art von aus dem Web „herausgesuchten“ Abbildungen, Schriften, Zeichnungen – die er bearbeitet und verändert, um sie dann vollständig oder fragmentarisch für seine Arbeiten zu verwenden. Oftmals entwickelt er mehrere Werke mit Hilfe mehrerer Monitore und Rechner parallel. Der Betrachter erkennt in seinen Arbeiten beispielsweise Szenen und Gegenstände aus dem Alltag, der Werbung, der Gesellschaft, der Massenmedien oder auch Symbole für aktuelle politische, ökologische und wirtschaftliche Geschehnisse. Traumwelten und Zukunftsvisionen wie wir diese möglicherweise mit der Welt der Science-Fiction assoziieren, sind neben religiösen, spirituellen und kosmologischen Inhalten und Zeichen ebenfalls in seinen Bildern verarbeitet. Das großformatige Werk aus dem Jahr 2013 mit dem Titel „The Collector“ vereint viele dieser genannten Bereiche, wobei jedoch zum Beispiel der Pferdekopf im Hintergrund an die Pferdedarstellungen des international bekannten italienischen Künstlers Maurizio Cattelan erinnert. „The Collector“ hießen im Übrigen auch ein Horrorfilm aus dem Jahr 2009, auf den sich die Maske des Hundes rechts im Bild beziehen könnte, sowie ein Roman von John Fowles von 1963, in dem es um die Abgründigkeit menschlichen Handelns und um Anomie, also den Zustand fehlender oder schwacher gesellschaftlicher Integration innerhalb sozialer Regeln, Normen und Ordnungen geht – eine versteckte Anspielung auf das in der Komposition Gezeigte?

Ferner finden sich im bisherigen Werk des Künstlers auch Arbeiten, die sich mit Forschungsbereichen wie der Medizin, Physik und Chemie befassen oder einzelne Elemente symbolhaft aufgreifen, wie z.B. eine DNA-Doppelhelix. Das Werk mit dem Titel „Research“ beispielsweise zeigt deutlich zwei Figuren in Strahlenschutzanzügen. Das steinartige Objekt im Bildvordergrund, welches in den Signalfarben rot und gelb dargestellt ist, könnte als Symbol für Kernenergie stehen. Einige größere und kleinere Stücke sind abgebrochen. Zudem sind in dem ganzen Werk strahlen- und wolkenartige Gebilde verteilt, die vielleicht die mögliche Radioaktivität verbildlichen. Die Verbindung von profaner Realität und fiktionalen Elementen, von Abstraktem und Figürlichem, von offen erkennbaren, oft stark ironischen oder massiv übersteigerten Darstellungen und vielen latenten Aussagen mit der
modernsten technisch-möglichen Umsetzung in die Malerei macht die Kunst von Johann Büsen so tiefgründig und instruktiv. Die von dem Künstler verwendeten Farben sind kongruent zu seinen Bildwelten: schillernd, bunt, plakativ. Und obwohl technisch die Möglichkeit gegeben ist, die Arbeiten mehrfach zu produzieren, sind sie doch allesamt Unikate, denn nach dem erfolgreichen Druck verwendet der Künstler die Vorlage kein zweites Mal. Allenfalls einzelne Elemente können – jedoch meist wiederum leicht verändert – in anderen Werken vorkommen. Der Digitaldruck erfolgt mehrheitlich auf Leinwand, dem Stoff, der seit Jahrhunderten als Bildträger verwendet wird.

Die Bilder von Johann Büsen reflektieren auf einzigartige Weise das Leben im 21. Jahrhundert mit all den technischen Möglichkeiten und dem unaufhaltsamen Fortschritt sowie den damit verbundenen Gefahren. Sie regen als eine Art virtueller Raum auf Leinwand gebannt über alle Maßen unsere Phantasie an – und genau das ist es doch, was uns an Kunst so fasziniert!

Caroline Messelhäußer, M.A. Kunsthistorikerin, 2014